«Ich glaub, deine Trauer ist etwas Altes. Von einer anderen Generation.»
Mit Mitte zwanzig begann ich mich u.a. im therapeutischen Kontext mit meinem Beziehungsverhalten zu beschäftigen, da meine partnerschaftlichen Beziehungen nicht funktionierten oder ich aus Angst verletzt zu werden erst gar keine eingehen konnte oder wollte. In manchen Sitzungen kam sehr viel Trauer hoch und ein Praktiker, der mit mir arbeitete, sagte: «Es wirkt als wäre deine Trauer von einer anderen Generation.»
Ungefähr zehn Jahre später erfuhr ich, dass sich nahe meine Elternhauses eine Hinrichtungsstätte befunden hatte und mein Großvater 1945 Zeuge dieser Hinrichtungen geworden war. Er hatte wie andere in der Gemeinde ein Trauma erlitten und dieses – scheinbar geknüpft an Schuldgefühle - nie verarbeitet. Sodass das Trauma unbewusst an mich weitergegeben wurde und sich unter anderem in meinem Beziehungsverhalten oder in der Einstellung zu mir selbst – geringer Selbstwert – zu tragen kam.
Ich begann die Kriegstraumata meiner Familie mittels Recherchen und Landschaftskunst aufzuarbeiten. In meiner Heimatgemeinde entstand das Projekt RED ISLAND und die Wanderausstellung LANDSCHAFT:ERINNERUNG. In der Provinz Leningrad (RU), wo mein Großonkel väterlicherseits 1943 gefallen ist und seither als vermisst gilt, entstand das Projekt SCHMERZ, LIEBE, OFFENE WEITE.
«Man hat sich nicht getraut darüber zu reden, aus Angst selbst umgebracht zu werden.»
(Zeitzeugin in meiner Heimatgemeinde)Sowohl durch meine Arbeit mit ZeitzeugInnen, als auch durch die gezielte Aufarbeitung meiner eigenen ererbten Traumata wurden für mich mehrere Aspekte sichtbar:
Zum Einen ist die Anzahl der Kriegsopfer viel höher als vermutet – denn jede/r, der oder die traumatische Kriegs- oder Nachkriegserfahrungen erlebte, ist ein Kriegsopfer.
Dass diese Generationen ihre Erfahrungen nie bewältigen bzw. darüber reden konnten oder wollten, lag möglicherweise an kollektiven Schuldverstrickungen oder an dem Umgang mit Kriegstraumatisierten im Ersten und Zweiten Weltkrie. Rund 5000 Kriegstraumatisierte des Ersten Weltkrieges wurden im Zuge der NS-Euthanasiemorde umgebracht. Ihr Trauma wurde nicht auf den Krieg, sondern auf minderwertiges Erbgut zurückgeführt.
Nicht nur kollektive Traumata, sondern auch unbewusste kollektive Konditionierungen, die als Vorbereitung auf den Krieg dienten, blieben demnach unverarbeitet und wirken bis heute in uns weiter. So galt die frühkindliche Erziehung Säuglinge nicht zu halten, sondern sich selbst zu überlassen als Methode um Menschen opferbereit und gehorsam zu machen. Bücher in denen diese Methode der Kindeserziehung propagiert wird, wurden 1933 bis 1987 aufgelegt.
Indem ich die Geschichte meiner eigenen Familie aufarbeitete, realisierte ich, dass ich mir dies unbewusst in Bildern und Zeichnungen erzählt hatte, bevor ich davon erfahren hatte.
In meinem Buch fasse ich für mich sichtbar gewordene kollektive Traumata, unbewusste Konditionierungen und deren Auswirkungen auf das menschliche Verhalten zusammen. Ebenso bilde ich Heilkräfte ab, die mir über unterschiedliche Methode zugänglich wurden. Eine davon ist das Sichtbar machen tabuisierter Themen.
«Das was du in deiner Ausstellung zeigst, habe ich alles selbst erlebt. Ich hab mir nicht gedacht, dass noch jemals darüber geredet wird. Danke, dass du das gemacht hast.»
(Zeitzeuge in meiner Heimatgemeinde)
Transgenerationale Traumata können aufgelöst werden indem man die eigene Familiengeschichte kennt, Schuldgefühle und Trauer indem sie Raum bekommen.
Als nächsten Schritt möchte ich mein Buch veröffentlichen um Generationen Anreize zu schaffen miteinander ins Gespräch zu kommen.
Mit deinem Beitrag unterstützt du die finale Überarbeitung meines Buches, Layout und Druck sowie die Weiterarbeit an meinem Projekt!