Vom Studium kleiner Unendlichkeiten
Der Dadaismus war auch eine Reaktion auf die Selbstüberschätzung akademischer Wichtigkeit in dieser Welt. Weil jemand einen akademischen Status besaß, konnte er feinziselierten Bilderchen gottmetaphorischen Status andichten und Überheblichkeit mimen. Das konnte nicht gut gehen. Und das wird immer wieder bekämpft werden mit Mitteln, die Persönlichkeiten in ihrer aktuellen Zeit erschaffen.
Heutzutage ist der Dadaismus in einer seltsamen Situation. Bei den Kunsthistorikern war er so gegen 1920 bereits weggepackte Geschichte. Etliche zeitgenössische Künstler pflegen ihn als anhaltendes Blödelprogramm oder wie Epigonen mit Fortschrittsirrtum, was das gleiche ist. Andere erfinden ständig neue Namen für Dada, weil die Erfindung dich doch in den Olymp der Auserwählten bringt. Ständig wird versucht, «fixe Ideen» zu einträglichen Marktstrategien mit Kunstanspruch durchzusetzen, oft genug wird gezahltes Papier als Maßstab für Qualität gewertet. Der wirkliche Kostenfaktor - die Bewahrung des Dadaismus als Kulturgut - wird dann später von der Gesellschaft eingefordert. Hier entscheidet ein Wildwuchs an Cleverness vieles vorläufig. Das angenommene Korrektiv ’Geschichte’, funktioniert nicht automatisch. Es gibt sie, die ’unfehlbaren’ Museumsleute, die aus ihrer Sicht die nicht anerkannte Kunst dann lagern. Die institutionelle Macht verfügt. Diese Kunst wird später verstanden, die Gegenwart ist dumm. Nur sicherlich nicht immer.
Die Künstler und das System ’Kunst’ müssen sich Gedanken machen über die Legitimität von Definitionsmacht: Was ist Kunst? Die Freiheit, alles als Kunst vorzuschlagen, bleibt unberührt. Aber diese Freiheit taugt nichts, wenn Kapitalinteressen, persönliche Machtstrukturen und institutionelle Einsamkeit, Entscheidungen durchsetzen zu können, auf Verdrängung und Vernichtung zielen. Der Verlust von nicht Entdecktem, schon im Keim Ersticktem ist fatal. Kunst braucht Rezeption. Kunst braucht Publikum. Kunst braucht das gebildete Auge. Vieles Unscheinbare und Zarte wird zertreten.
Begieß es mit Sonne, damit es erwächst zu einem Baum wie Mammut.
Das Prinzip ’Sozialdarwinismus’, in dem der Stärkere gewinnt, sollte eine Gesellschaft nicht dominieren. Kunst und viele andere Bereiche in einer Gesellschaft sollten nicht mit einem Boxkampf verwechselt werden. Wo Kreativität vernichtet wird, weil sie die zusätzliche Eigenschaft, sich Durchzusetzen nicht hat, ist möglicherweise etwas aus der Welt verschwunden. Für lange, für immer, das sie hätte gut gebrauchen können, die Welt.
Die Weltbevölkerung muss begreifen, dass jedes Individuum einen unersetzlichen Wert darstellt für das ganze System ’Menschheit’ (oder neu: für die gesamte Menschheit). Und unsere Mörder sind zu analysieren und zu bewachen, nicht einfach zu vernichten. Bei allem notwendigen und legitimen Egoismus: das Beispiel von den «Musketieren» muss in den Gedanken der Menschheit eingebaut werden: Einer für die Menschheit, die Menschheit für Einen.
Es ist legitim, an die Möglichkeit von Unsterblichkeit für die Menschheit zu glauben. Es ist sogar wahrscheinlicher als die Metapher, die das Christentum anbietet, Himmel und Hölle und anderes von den Religionen, die eine Existenz nach dem Tode der Individuen annehmen. Letztendlich wird es auch effizienter sein, damit aufzuhören, durch Glaubensangebote über den eigenen Tod hinwegzutrösten, damit die individuelle Personalität irgendwie weiterlebt. Eine umfassende Sensibilität im Sozialen ist vonnöten. Die fortwährende Vernichtung menschlicher Ressourcen, aus welchen Gründen auch immer, ist nicht hinnehmbar. Es ist letztendlich fatal im Angesicht des Universum, im Angesicht unendlicher ’Zustände’.
Die Menschheit wird jede Kraft benötigen, im unendlichen und ewigem Nichts zu bestehen, in dem das Universum seinen Raum einnimmt. Äußerst sorgfältig werden wir darauf achten müssen, dass durch den Verlust von Einzelnen nichts verloren geht, was vielleicht nur diese Einzige erbringen kann. Wir werden durch die Geworfenheit in die Natur nicht unbegrenzte Chancen haben, uns pionierfähig zu machen für das Universum.
Ihr Machtbesessenen dieser Welt, ihr emsigen Bewacher eurer kleinen Schollen: ’Es ist das Universum, in dem jede Heimat und Tradition überleben wird oder nie.’
Die Kunst, die Künstler nähern sich auf ihre Art dem Thema Unsterblichkeit, Unendlichkeit. Es ist ein altes Thema hier. Das Arbeiten am ewigen Bestehen eines Kunstwerkes aber wird nur als Idee möglich sein. Ideen aller Art, wenn diese Überzeugungskraft in unseren Nachfahren erzeugen. Diese Überzeugungskraft lebt in unseren Nachkommen fort, in einem immerwährenden Kontinuum zur Unendlichkeit hin. So haben Ideen Chance auf Unsterblichkeit.
Diese theoretische Überlegung ist ja nie beweisbar. Allenfalls für den letzten Menschen das Gegenteil, wenn bis dahin das Rätsel, Woher wir kommen, gelöst sein sollte. Wir wissen recht gut, wie der Mensch sich fortpflanzt. Aber wie Leben sich fortpflanzt, sich sichert, sich zur Geburt bringt, was wissen wir darüber? Was wissen wir über mögliche Variationen menschlichen Lebens im Universum?
Neben der spekulativen Theorie über die ewigen Dinge gibt es für uns Menschen die ganz praktischen Erfahrungen und Belange, die sich daraus ergeben. In aller Unendlichkeit und Unsterblichkeit lässt sich eine jede individuelle Begrenztheit pragmatisch nieder. Wir arbeiten darin.
Auch Dada, die große Idee vom Andersein der Kunst, will ein Stückchen den Weg gehen in die Unendlichkeit. Und Dada lebt, wenn Dada lernt. Dada ist mehr als Blödelprogramm. Dada ist Opposition innerhalb des Kunstsystems. Dadaismus am Beginn des 21. Jahrhunderts ist tiefster Ernst und will höchste Wissenschaft sein.
Es ist ein wenig Thema dieser Ausstellung, es ist eine Beobachtung an der eigenen Person und seinem Handlungsrepertoire, dass wir irgendwo im Ewigen existieren. Das Arbeiten mit einem DIN-A4 Blatt Papier ermöglicht einen unendlichen Variantenreichtum an Formenschöpfung. Ein Leben reicht nicht aus hier eine Varianteneingrenzung im Anschaulichen zu geben. Vielleicht lässt eine theoretische Umklammerung des gestellten Kontextes Grenzen erahnen, lassen sich Grenzen setzen, wenn das Unendlichkeitsproblem von der Menschheit angegangen würde?
Für uns Künstler aber liegt eine pragmatische, tatsächliche Unendlichkeit an Arbeit vor uns. Allein aus dem Bereich der klassischen Vorgaben an Stiften, Pinseln, farbigen Flüssigkeiten, diversen Bildträgern und Deformationen des Materials ist kein Ende absehbar. Die Malerei, die Zeichnung steht an ihren Anfängen. Wir haben doch erst ganz wenig gemalt, es gibt doch so wenig an Zeichnung. Beeil dich Zeitgenosse, dein Leben ist ein Atem und hauche ganz viel aus, damit wir uns erinnern, wer du warst. Eh das umfassende Menschheitsgedächtnis funktioniert, da wird es dauern. Noch ist der Mensch ein Vernichter, er ist kein Schöpfer.
Rainer Wieczorek, Bärlin 2002
Balla Balla Kopf kaputt
ene mene muh
DADA schiebt ne Kuh
Bevor der DaDaRainer nach Zürich kommt packt er hier in Berlin die Requisiten in 2 Umzugskartons die per Postanschrift an die Veranstaltungsorte gehen. Ein Karton je Veranstaltung. Nachdem alle 2 Eingangsbestätigungen der Kartons Berlin erreicht haben, packe ich den Garderobenkoffer, einen vor Farbe strotzenden, den jeder Gepäckträger erstmal anschaut, bis er sich trennen kann von dieser Farbentracht, bevor dieser dann da steht wo ich mich hinlegen kann, neben der Matratze. Zusätzlich wird ein Paket mit dadaistischer Mail Art, die wie Street Art im Zürich´er Stadtraum sich zeigt und auch Flashmob artig per Zufall an Passanten der Straße verteilt werden. Am Ende werden es 20 x 20 Bekundungen darüber was DADA heute noch ist, der vom DaDaRainer. Alles schön gemacht mit Texten und Zeichnungen, das ist für mich wie Atmen, ein Lebenselixier. (400 DIN A 4 Doppelseitige Kopien signiert)
Sodann spaziere ich aus meinem alten 12053 Neukölln´er Kiez zum Berliner Hauptbahnhof, dieser Reptillien – Architektur die dieser Mehlwurm von Manager Namens Mehdorn Kopf und Schwanz nicht gönnte, damit der private Geldsack anschwillt. Wer weiß wo hin? Der DaDaRainer wollte nur sagen das der Bahnhof blöde da rumsteht, nicht wirklich hübsch anzusehen.
Als korrekter Dadadiplomat spaziere ich als Hommage - Reklame zu euch nach Zürich hin. Ein wenig meine Kleidung und das Handgepäck sind der Werbeträger für DADA100. Eine Spur zu euch hin wird gelegt, mit Karten, Zetteln, Manifesten, alles mit ein wenig Handarbeit versehen. Durch die Berliner Innenstadt, den Zügen, den Bahnhöfen, hin zum Hotel in Zürich. Alles schon in Arbeit, ob´s Züri haben will oder nicht.
Mit An- und Abfahrt wollt ich 7 Tage bei euch bleiben und 2 mal das «Balla Balla Kopf kaputt, ene mene muh DADA schiebt ne Kuh» Programm aufführen. Ohne Pause werden es gut 1,5 Stunden werden und wenn der Saal tobt, gibt es ein wenig Poesie als Zugabe.
Im Cabaret Voltaire wird sicherlich ein Auftritte erwartet für die Krautgefundenen Schweizer Franken und den zweiten Auftritte würde ich da halten wo der großzügigste Krautfunder es wünscht und dieser den Auftrittsort ermöglicht. Die Requisiten – Kartons werden Relikte des BirthdayDADA und werden ebenfalls unter den Spendenfreudigsten Krautfundern verteilt. Allen anderen die mich durch das Crowdfunding nach Zürich brachten und wenigstens 50 Schweizer Franken verkrauteten dem DADA zuliebe, diesen allen schick ich eine Mail Art in den Wochen danach, aus Berlin zu der Adresse die Sie mir angeben. (Ihr seid dann sozusagen im Internationalen Mail Art-Netzwerk aufgenommen. Diese, meine Mail Art sind kleine Kunstwerke die in einen Briefumschlag passen. Dieser Brief wird neben dadaistischen Texten der aktuellen Art mit wenigstens einer Zeichnung bestückt. Bei guter Tagesleistung und entsprechender Laune können es auch bis zu drei Zeichnungen sein. Es sind sicherlich Figuren in einer durchgehenden Linienführung mit wenig Absätzen.
PROGRAMM – INHALT: Jedes Stück ist zwischen 5 bis 10 Minuten lang. Dazwischen bin ich der eigene Bühnenarbeiter und erledige das zwischen 2 bis 5 Minuten. Situativ, Spontan ohne schauspielerisches Talent. DADA eben, so dada es eben ist, bis situationistisch.
1.Wählen Sie Armut – Wollen Sie Armut
2.Leben lebt, Leben lebt – lebt Leben
3.Das GESTALTUNGSKAPITAL (Kurzfassung)
4.Revolution, Evolution – Hoch das Leben
5.Wider den Faschistenschmusern – Gewidmet dem MEsel (Kurzfassung, Jonathan Meese ist mit dem MEsel gemeint, ein hoch dotierter Pfotenschwinger und kommender Oberdekorateur der Bayreuth-Festspiele)
6.Das Lied der Deutschen – Europäer
7.Manifest 100
8.Poesie als Zugabe! Falls der Saal tobt?
TECHNIK: Es sollte auf der Bühne, also da wo ich agieren soll, vorhanden sein: Tisch, Stuhl, Leselampe (Helles Licht), Stromanschluss am Tisch, Mikrofonanlage. Mikrofonanlage bei Räumen unter 30qm und ruhigem Publikum nicht zwingend. Ein Kassettenabspielgerät bzw. Mikrofonabnahme zur Verstärkung. Ein billig und quietschendes Kassettenabspielgerät hab ich dabei. Ein Techniker der den Elektrokram beherrscht.
Herzliche DADAGRÜßE aus Berlin an die DADA Gemeinde Züri, 98 nach DADA, WR am 10.3.2014
Guten Tag sehr geehrte Damen und Herren, Kollegen und Kolleginnen, liebe Freunde
DADA war eine Befreiungsaktion und ist ein fortwährender Kampf gegen die kleinen Köpfe, gegen die verbretterten Hirne, gegen unsere Spießbürger und immer gegen Künstler, die ihre Opposition in Käfige ihrer kleinen, abgeschlossenen Welt inhaftiert wissen wollen.
«Der Dadazauber ist vorbei», da irrt Pappa Beuys und mit ihm ganze Fakultäten.
Ohne Dada kein Beuys, kein Fluxus, kein Happening, keine Performance.
Alles ist vom Dadageist beseelt. Dada hat tausend Namen.
Ich bin bekennender DADAsoph.
Der Dadaismus heute, muß mehr sein, als Schweinegrunzen in Ferseform.
Diese Ausstellung ist für mich ein Beleg an Freiheitsarbeit.
Diese Ausstellung ist dada, aber nicht DADA.
Stillosigkeit ist gewollt, eine freie Entscheidung.
Hässlich und Schön ist gewollt, eine freie Entscheidung.
Harmonie und Aggression ist gewollt, eine freie Entscheidung.
Emotionen, Fantasien, Spinnereien, Denkereien, auf der Strasse, in Mülleimern, das weggeworfene, unbeachtete finden und zur Kunst formen, ist gewollt, eine freie Entscheidung.
Diese Ausstellung ist DADA PAPA MAMA Beuys gewidmet.
«Jeder Mensch ist ein Künstler»
Diese Idee haben die ersten Dadaisten in die Welt gebracht.
Beuys hat diesen Satz populär gemacht und hat mit diesem Satz eine Massenbewegung von: ich bin auch Künstler, ermöglicht, besser beschleunigt.
Dieser Satz hat auch viele Missverständnisse in den Köpfen der Menschen erzeugt.
Über diesen Satz sollte ein jeder Mensch zunächst nachdenken, philosophieren, reflektieren und ihn in eine Welt der Sätze legen. Das ist Arbeit.
Lasse ich Beuys reden mit den Sätzen:
«Alles menschliche Wissen stammt aus der Kunst, der Wissenschaftsbegriff hat sich aus dem Kreativen entwickelt. So hat allein der Künstler das Geschichtsbewusstsein geschaffen. Es kommt entscheidend darauf an, das Bildende in der Geschichte zu erfahren. Geschichte muß demnach plastisch gesehen werden. Geschichte ist Plastik.»(Heiner Stachelhaus, 1987)
Eine Plastik formt man, biegt sie, ritzt und kratzt und baut. In der Erweiterung reden wir, diskutieren miteinander, gestalten Gesellschaft, gestalten uns immer auch selber, bauen an der sozialen Plastik weiter oder Demokratie ist eine Baustelle.
Jeder Mensch ist ein Künstler, ich kritzle ein paar Blätter voll und werde Millionär, falsch verstanden.
Jeder Mensch ist ein Künstler, ich steh am Mittag auf, bau was mit Kartons und werde Weltberühmt, falsch verstanden.
Jeder Mensch ist ein Künstler, ich mach es mir bequem, schreibe rotweingequollene Sätze und werde Universitätsprofessor, falsch verstanden.
Das Künstler Arschlöcher sind, dieser Satz von Beuys wird selten zitiert.
Einige Sätze aus einem Gespräch zwischen Amman, Kounellis, Kiefer, Beuys.
Kiefer:« Ich glaube, dass Janis und Beuys auf einem gesicherten Boden stehen, auf dem ich nicht stehe. Denn für mich ist es eine Beschwörung zu sagen, der Mensch stehe im Mittelpunkt. Davon bin ich gar nicht überzeugt. Ich glaube auch nicht, im Sinne von Beuys, dass jeder Mensch ein Künstler sei. Für mich ist auch nicht sicher, dass es eine Entwicklung gibt, an der man arbeiten kann, damit jeder Mensch ein Künstler wird.»
Darauf Beuys: « Wenn du ein waches Auge hast für das Menschliche, kannst du sehen, dass jeder Mensch ein Künstler ist. Ich war jetzt in Madrid und habe gesehen, wie die Männer, die bei der Müllabfuhr arbeiten, grosse Genies sind. Das erkennt man an der Art, wie die ihre Arbeit tun und was für Gesichter sie dabei haben. Man sieht, dass sie Vertreter einer zukünftigen Menschheit sind. Und ich habe etwas bei den Müllabfuhrleuten gesehen, was ich bei den Scheisskünstlern vermisse, denn die Künstler sind zum grossen Teil opportunistisch, sie sind Arschlöcher, das muss ich jetzt auch mal sagen. Die Künstler sind die reaktionärste Klasse. Eigentlich gibt es ja keine Klasse mehr, aber die Künstler sind so reaktionär, dass sie schon fast wieder eine neue Klasse bilden.»
Ich behaupte ja das Klassenkampf wieder modern wird und rufe alle aristokratischen Gemüter des Landes auf, egal wie prall oder leer eure Geldbeutel sind, legt die Bequemlichkeit auf den Sonntag und arbeitet für euch, dieses Land, Europa, die Welt. Das Universum ruft nach euch. Werdet Künstler, erarbeitet euch die Qualität eines Gottes. Keiner ist Gott, Gott als Existenz ist Rätsel. Rainer Wieczorek, Berlin 3.11.05