Tragödien hinter verschlossenen Türen
Während der Zeit des Lockdowns habe ich mit meiner 84-jährigen Mutter, die in Zürich in einem Altersheim lebt, täglich per Skype gesprochen. Während sie diese zweieinhalb Monate erstaunlich gut überstand, empfand ich die Abschottung des Altersheims als äusserst schmerzhaft. Als wir uns Ende Mai wieder sehen durften, interessierte mich, wie andere die Zeit des Ein- und Ausgesperrtseins erlebt haben. Ich wollte wissen, was passiert, wenn mündige Personen ungefragt in einer Weise geschützt werden, die ihrem Alltag das nimmt, was ihn lebenswert macht. Welche Faktoren trugen zu besonders leidvollen Situationen bei? Was hat die Betroffenen umgetrieben? Was hätten sie sich gewünscht, von wem wurden sie unterstützt?
Im Sommer 2020 gaben mir 17 Heimbewohner und Angehörige Antwort auf diese Fragen: Die ehemalige Pflegefachfrau, die im Altersheim denunziert wurde, nachdem sie ausserhalb der erlaubten Zone beim Giessen des Gingkos ertappt wurde; der im September 2020 im Altersheim im Maggiatal noch immer eingesperrte ehemalige Wirt, der gerne wieder seinen beiden freiwilligen Jobs nachgehen würde; die Tochter, die verzweifelte, weil ihre demente Mutter am Telefon jeden Tag zu ihre sagte: «Ich bin so alleine!»
Prof. Dr. Franziska Sprecher, Staats- und Gesundheitsrechtlerin an der Universität Bern, erläutert in einem Nachwort, warum die rigorosen Massnahmen aus rechtlicher Sicht fragwürdig sind.
Das Virus in Heimen vermeiden – um welchen Preis?
Im letzten Frühling und im darauf folgenden Sommer, den wir alle genossen, ging die Situation von alten und behinderten Menschen in Heimen vergessen. Die Tragödien, die sich hinter verschlossenen Türen abgespielt haben, wurden kaum gehört, und wenn die Situation der Altersheime erwähnt wurde, dann meist im Zusammenhang mit dem Dilemma, in dem sie sich befinden. Wie ein Mantra wurde die Aufgabe wiederholt, die «Risikogruppen» zu schützen. Eine Aufgabe, die zwar wichtig ist, aber nicht um jeden Preis, nicht ohne individuelle Lösungen und Augenmass.
Inzwischen ist die zweite Welle da. Pro Senectute und Curaviva sprechen sich jetzt gegen generelle Schliessungen aus. Doch wesentlich anders als im Frühling ist die Lage leider nicht: Besuchs- und Ausgehverbote können kantonal jederzeit wieder erlassen werden – in mehreren Kantonen ist dies bereits der Fall. Unsere Gesellschaft ist noch weit entfernt von einer an das neue Virus angepassten Langzeitpflege, von Lösungen, die viel mehr personelle und finanzielle Ressourcen benötigen – und auch Mut.
Aktualität in Buchform – Stand der Dinge
In der Regel wird die Geldsuche für Buchprojekte von langer Hand geplant. Stiftungen und staatliche Geldgeber werden frühzeitig angefragt – bis sie antworten, vergehen Monate.
Für unser Buch über das Besuchs- und Ausgehverbot in Heimen blieb dafür keine Zeit: Das Thema ist – leider – so aktuell, dass ich unverzüglich mit der Arbeit beginnen musste. Mir war auch klar, dass ich die Gespräche vor einer möglichen zweiten Welle führen musste. Deshalb ging alles ungewöhnlich schnell: Im Juli gab mir der Verlag grünes Licht – Ende September gab ich das Manuskript ab. Anfangs Dezember wird das Buch im Limmat Verlag erscheinen.
Aktuell fehlt uns rund ein Drittel der Herstellungskosten. Mit Deiner Mithilfe wäre die Arbeit von uns allen bezahlt:
- Druckerei,
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- Lektorin,
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- und nicht zuletzt die Autorin.